Porsche Leipzig erreicht dabei im Karosseriebau eine Fertigungstiefe von 90 Prozent. Mit 100 Fertigungstakten entsteht aus 386 einzelnen Teilen – durch Widerstandspunktschweißen (rund 6.000 Schweißpunkte), 330 Bolzenverbindungen, hochfeste Kleber, Nieten und Laserlöten – die 500 kg leichte Karosserie. Dabei kommen 387 Roboter zum Einsatz. Die Karosserie wächst von unten nach oben. Und zwar in vier großen Abschnitten:
Unterbau, Aufbau, Anbauteile, Finish. Zuerst entsteht der Unterboden – die Plattform. Er ist aus logistischen Gründen in zwei Teile gegliedert: den „Unterbau 1“ und den „Unterbau 2“. Danach folgt der Aufbau. Es ist der Bereich im Entstehungsprozess der Karosserie, in dem der Unterboden um die Seitenteile und das Dach ergänzt wird. Der Aufbau ist dabei in drei große Bereiche unterteilt. Im „Aufbau 1“ werden die inneren Seitenwände an den Unterbau geschweißt – es sind die Bleche der Interieurseite. Im nächsten Bereich, dem „Aufbau 2“, folgen die äußeren Seitenwände – dies sind die Bleche der Exterieurseite, die das Design des Macan formen. Im Bereich „Aufbau 3“ wird die Karosserie mit dem Dach komplettiert. Nach dem „Unterbau“ und dem „Aufbau“ folgt mit der „Anbauteilelinie“ der dritte große Abschnitt im Karosseriebau. Hier werden die zuvor in parallelen Schritten gefertigten Türen, die Heckklappe, die Vorderkotflügel und die markante Motorhaube in die Karosserie integriert. Die Türen und die Motorhaube setzen Roboter vollautomatisch ein, da hier die engen Spaltmaße und Übergänge zwischen den Flächen ein automatisiertes Arbeiten erfordern. Die Heckklappe und die Kotflügel werden von den Mitarbeitern halbautomatisch eingesetzt. Der vierte und letzte Bereich ist das Finish, in dem Karosseriebauer die Oberflächen kontrollieren und gegebenenfalls perfektionieren und die Anbauteile feinjustieren. Danach verlassen die Fahrzeuge den Karosseriebau in Richtung Lackiererei. Besonders spannend im Karosseriebau ist der nähere Blick auf den Produktionsanlauf des Macan, die besonders aufwendig gefertigte Aluminium-Motorhaube, die Qualitätssicherung und die Kompetenz-Center, die Fertigungspräzision am Beispiel der Fugenmaße und die eigentliche Geburtsstätte des Autos:
Von fünf auf 300 Karosserien täglich. „Eine besondere Herausforderung ist stets das kontinuierliche Hochfahren der Produktionskurve“, so Siegfried Bülow, Leiter des Werkes in Leipzig. Der Produktionsexperte ist seit Jahrzehnten in diesem Geschäft und weiß wovon er beim Anlauf eines neuen Modells spricht: „Bis Ende Oktober 2013 waren es in der Vorserie fünf Macan pro Tag; bis Anfang Februar 2014 kletterte die Zahl auf 100 Autos pro Tag. Zehn Wochen später werden wir schon 300 Macan-Karosserien am Tag produzieren.“ Und damit ist das theoretische Maximum der Tagesproduktion noch nicht erreicht. Norbert Wagner, Leiter des Karosseriebaus, erklärt, dass Porsche Leipzig im Karosseriebau „eine Fertigungsfolge von Norden nach Süden“ aufgebaut hat: Ganz im Norden der Halle entstehen mit den vorderen Radhäusern die ersten Teile, ganz im Süden endet der Karosseriebau dann mit der Montage der Anbauteile. Eine produktionstechnische Meisterleistung ist die Fertigung der Aluminium-Motorhaube des Macan. Wagner: „Solch ein Designelement, solch ein Bauteil in dieser Größe und dieser Präzision zu fertigen, ist beispiellos.“ Die Pressteile der Haube kommen aus Bratislava. Ein Außenteil, ein Innenteil und die Verstärkungen dazwischen. Der Leiter des Karosseriebaus: „Die Einzelteile werden gefalzt beziehungsweise vernietet; zwischen dem Außen- und Innenteil wird zudem ein hochfester Kleber aufgetragen. Im Detail legt man zuerst die Außenhaut in das Anlagenteil, in dem die Haube zusammengefügt wird. Darauf wird die Innenhaut fixiert. Im nächsten Schritt kommt ein Roboter mit sechs sogenannten Rollfalzköpfen zum Einsatz, der die Falze umlegt. Ein weiteres Plus an Verwin-dungssteifigkeit bekommt die Haube durch den Kleber. Dann kommt die Haube auf einem speziellen Gestell, mit dem die exakt definierten Maßvorgaben des Bauteiles auch unter Hitzeeinfluss garantiert werden, in einen eigens konstruierten Ofen. Hier härtet der Kleber aus. Dann wird die Haube oberflächenbehandelt und montiert. Das aufwendige Produktionsverfahren belohnt uns und vor allem unsere Kunden mit einer absolut perfekten Passgenauigkeit der Haube.“
Qualität vor Quantität. Erneut Norbert Wagner: „Qualität ist für uns das Thema Nummer 1. Denn mit perfekt ausgeführten Fügeverfahren sorgen wir dafür, dass die Karosserieeigenschaften und damit auch die Sicherheit auf dem höchsten Niveau sind. Das muss regelmäßig geprüft werden.“ Der Chef des Karosseriebaus erklärt direkt, wie das funktioniert: „Wir zerreißen regelmäßig die Flansche eines gefalzten Teils, um zu sehen, ob beide Teile richtig mit Kleber benetzt sind. Höchsten Wert legen wir zudem auf die Schweißpunktprüfung via Ultraschall; das machen wir täglich. Wir haben Mitarbeiter, die speziell dafür zuständig sind. Porsche Leipzig hat zudem ein Labor im Karos-seriebau. Dort wird untersucht, ob die Schweißpunkte auch unter Extrembedingungen halten.“ Allerdings sind Fehler dank modernster Technik heute die Ausnahme. Produktionsexperte Wagner: „Große Fortschritte brachte uns in den letzten Jahren im Karosseriebau die adaptive Schweißregelung. Das ist eine sehr innovative Steuerung, die beim Schweißen erkennt, ob der Schweißpunkt in Ordnung sein wird oder nicht; die Schweißsteuerung regelt dann automatisch die Parameter nach. Das Verfahren ist sehr aufwendig, aber eben auch sehr sicher.“ Ein weiteres dominantes Thema der Qualitätssicherung sind die sogenannten Funktionsmaße. Wagner: „Das Auto muss von der Geometrie her richtig stehen. Deshalb gibt es über 400 Funktionsmaße, bei denen wir mit großem Aufwand sicherstellen, dass die stimmen. Auch dafür haben wir eine eigene Crew.“
Kompetenz-Center lösen Probleme. Porsche fährt erfolgreich damit, die Prozesse kontinuierlich zu verbessern und Probleme extrem schnell zu lösen. Im Werk Leipzig wurden vor diesem Hintergrund im Karosseriebau, in der Lackiererei und in der Montage sogenannte „Kompetenz-Center“ integriert. Norbert Wagner: „Wir haben diese Kompetenz-Center im Karosseriebau in allen vier Bereichen: im Unterbau, Aufbau, der Anbauteilelinie und im Finish. Das sind Büros inmitten der Fertigung. In diesen Kompetenz-Centern sind alle Fakultäten ansässig, die für den Bereich zuständig sind. Im Bereich „Unterbau“ beispielsweise der Schichtleiter, der Planer, der Qualitätslenker und der Geometrie-Pfleger, der für die Maßhaltigkeit zuständig ist. Wenn jetzt zum Beispiel eine Rückmeldung aus der Montage kommt, dass es ein Problem gibt, dann wird diese Meldung aus der Qualitätslenkung der Montage direkt in das betroffene Kompetenz-Center des Karosseriebaus zurückgespielt. Die vier Spezialisten haben die Kompetenz, dieses Problem zeitnah zu lösen. Es ist wirklich einzigartig, dass diese Leute in einem Kompetenz-Center zusammengefasst sind.“
Geburtsstätte des Macan. Die 100 Takte im Karosseriebau starten wie skizziert mit dem Schweißen der vorderen Radhäuser samt Federbeinaufnahmen und Längsträgern. Nahezu parallel entstehen in einem daneben angesiedelten Teil der Anlage der vordere und hintere Boden. All diese Elemente treffen – transportiert über Palettenbänder – in der Station 1810 zusammen und verschmelzen zum Unterboden. Und zwar – wie im gesamten Karosseriebau – über sogenannte Entkopplungspuffer. Wagner: „Falls die Hauptlinie ein Problem haben sollte, etwa wenn ein Roboter ausfällt, dann können durch die Entkopplungsmodule die folgenden Fertigungsstationen weiterarbeiten. In der Regel haben wir zwischen 10 und 20 Teile in einer Entkoppelungsstation.“ Fakt ist: Station 1810 kennt jeder Mitarbeiter des Karosseriebaus in Leipzig. Dazu Thomas Riediger, Leiter Planung der Porsche Leipzig GmbH: „Das ist die Geburtsstätte des Macan, weil hier die Bodengruppe entsteht. An der Station 1810 bekommt der Wagen auch seine Geburtsurkunde – einen Transponder, ein mobiler Datenspeicher als Fingerabdruck des Macan mit dem fahrzeugspezifischen Identifizierungscode. In diesem Transponder sind alle Details des künftigen Macan erfasst.“
Eine wichtige Geometriestation. Takt 1810 wird auch als erste „Geometriestation vom Unterboden 1“ bezeichnet. Denn mit dem Zusammenbau der Bodengruppe wird hier produktionsseitig auch das Fundament für die extrem präzise Karosseriegeometrie des Macan geschaffen. Hintergrund: Der Karosseriebau setzt an dieser Station die elementar wichtigen Geometrieschweißpunkte. Im Detail wird die Bodengruppe dabei gespannt, um dann – im Jargon der Produktioner – die „Geoschweißpunkte“ zu setzen. Alles ein Job der Roboter. Ab jetzt wird übrigens erstmals vom „Fahrzeug“ gesprochen; vorher waren es nur Bauteile. Die Bodengruppe ist jetzt so stabil, dass sie komplett zur nächsten Stationen transportiert werden kann.
Auf dem Transportschlitten bis in die Lackiererei. Aus der Station 1810 entnimmt ein Roboter mit einem sogenannten Handlingsgreifer den Unterbau und legt ihn auf einen Transportschlitten – auch Skid genannt. Ab jetzt läuft das Fahrzeug auf dem Transportschlitten durch den Karosseriebau. Seitlich – optisch wie bei einem Fischgrätenmuster – werden dann weitere Teile zugeführt. Und zwar nacheinander folgend im „Unterboden 2“, dem „Aufbau 1, 2 und 3“, der „Anbauteilelinie“ und dem „Finish“. Als nächster Schritt folgt nun die Lackiererei.